Wertvoller Neuzugang im StifterHaus

Nach der Auflösung der Adalbert-Stifter-Gesellschaft in Wien übernimmt das OÖ. Literaturarchiv in Linz wertvolle Bestände zu Adalbert Stifter. im Dezember 2018 wurde die Wiener Stifter-Gesellschaft nach hundertjährigem Bestehen aufgelöst. Das Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich war mit der Stifter-Gesellschaft durch wechselseitige Mitgliedschaften verbunden. Daher wurden nun das Vereinsarchiv, der Buchbestand sowie Autographen in die Sammlungen des OÖ. Literaturarchivs bzw. des Adalbert-Stifter-Instituts integriert.

„Die Übergabe des Bestandes der Wiener Stifter-Gesellschaft stellt einen großen Vertrauensbeweis für die Arbeit des Landes bzw. des Adalbert-Stifter-Institutes dar. Diese Übergabe ist ein große Freude und Sensation sowie eine Anerkennung der zentralen Kompetenz des StifterHauses“, so Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer.
„Es sind viele Dokumente, die vieles erzählen, etwa bisher nicht bekannte Handschriften oder sieben Gedichte an Fanny Greipl. Sie sind auch für die Forschung bedeutend, denn teilweise handelt es sich um unveröffentlichtes Material, erklärt Direktorin Mag.a Dr.in Petra-Maria Dallinger.


Die bisherigen Bestände zu Adalbert Stifter im Adalbert- Stifter-Institut

Das Land Oberösterreich besitzt eine bedeutende Sammlung zu Adalbert Stifter. Besonders mit der Gründung des Adalbert-Stifter-Institutes 1950 wurde diese Sammlung in Hinblick auf das literarische Werk des Dichters systematisch aufgebaut und laufend ergänzt und erweitert. Die Bestände im OÖ. Literaturarchiv umfassten bisher z.B. 85 handschriftliche Briefe des Autors an verschiedene Adressaten, wichtige Manuskripte zu seinen Werken (u. a. zum „Nachsommer“, zur „Mappe meines Urgroßvaters“, zu „Der beschriebene Tännling“ und zum Fragment „Mein Leben“). Ebenso umfasste der Bestand eigene bildkünstlerische Arbeiten Stifters, Lebensdokumente (u. a. ein gedrucktes Zeugnis aus dem Gymnasium Kremsmünster), eine Reihe von Porträtfotografien sowie zahlreiche wertvolle Erstausgaben seiner Bücher. Dazu kommen Realien – wie etwa ein Teeservice aus dem Besitz des Dichters u.v.a.m.
Neben dem Adalbert-Stifter-Institut verfügen auch andere Landeseinrichtungen über Stifter-Bestände: Die OÖ. Landesbibliothek, das OÖ. Landesmuseum – diese sind großteils als Leihgabe im Stifter-Institut – und das OÖ. Landesarchiv, in dessen Präsidialakten sich umfangreiche Schriften Stifters zur Schule befinden.


Die Aufgaben der Adalbert-Stifter-Gesellschaft in Wien

Diese Gesellschaft wurde – in Erinnerung an die Wiener Jahre des Dichters – zum 50. Todestag Stifters am 28. Jänner 1918 auf Initiative von Hugo Schoeppl (aus Wels gebürtig, Beamter und Schriftsteller, 1867–1928) gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählte auch der Stifterbiograf Alois Raimund Hein (1852–1937). Der Verein suchte über Veranstaltungen, die Herausgabe von Schriften und die Förderung der Stifterforschung Interesse an Stifters Werk und Geisteshaltung lebendig zu halten. in diesem Kontext steht auch die Widmung seiner bedeutenden Sammlung an Gemälden durch Karl Adolf Bachofen von Echt d. Ä. im Jahr 1922; damit konnte ein wesentlicher Teil des bildkünstlerischen OEuvres Stifters (mit kriegsbedingten Unterbrechungen) dauerhaft öffentlich zugänglich gemacht werden. Durch Gaben der Mitglieder wurde – neben dem Vereinsarchiv – im Laufe der Jahre eine nicht unbedeutende Sammlung an Handschriften, Erinnerungsgegenständen u. a. aufgebaut.


In das OÖ. Literaturarchiv wurde übernommen

1. Werke bzw. Handschriften Stifters: Manuskriptblätter zu Werken Stifters, darunter „Der Nachsommer“ und „Witiko“, die Erzählung „Der beschriebene Tännling“ sowie Albumblätter und eine Sammlung von Gedichten Stifters – z. B. „Rastlose Liebe“.

2. Briefe von Adalbert Stifter: insgesamt 22 Briefe von Adalbert Stifter, u. a. an seine Frau sowie die Schriftstellerin Emilie von Binzer.
Emilie von Binzer (1801–1891) war mit Adalbert Stifter noch aus der gemeinsamen Wiener Zeit bekannt. Binzer war erfolgreiche Theaterautorin, an Aufführungen ihrer Stücke war besonders auch Amalia Stifter interessiert. Gegen seine sonstige Haltung rezensierte Stifter eine Erzählsammlung Binzers auf Wunsch eines gemeinsamen Freundes. Als sich die Dichterin 1849 entschloss, nach Linz zu übersiedeln, bot sich Stifter als Wohnungsvermittler an und war gerne im Salon Binzer – an der Ecke Promenade/Klammstraße gelegen – zu Gast. Auch Einladungen in die Sommerfrische nach Altaussee, wo die Familie Binzer eine Villa besaß und meist die Sommer verbrachte, wurden ausgesprochen. Nach Stifters Tod 1868 verwendete Emilie von Binzer sich für seine Witwe. ihr ausführlicher Nachruf auf Adalbert Stifter erschien in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“. Die Korrespondenz mit seiner Frau Amalia zeigt sich über die Jahrzehnte nur vermeintlich als rein „private“. Waren es in den frühen Jahren der Ehe häufig Berichte bzw. Anekdoten von Schulinspektionen, die Stifter nach Hause sandte, so steigerte sich die Anzahl der Briefe im Zuge seiner Erkrankung ab Anfang der 1860er-Jahre, der Ton wurde – auch in Hinblick auf eine bereits geplante Veröffentlichung der Briefe – entsprechend pathetischer. immer wieder sind es allerdings auch Alltagsdinge, die im Schreiben Raum einnehmen, so beispielsweise die Bitte um „Nachschub“ an Lebensmittel an Stifters Adresse in Kirchschlag, wo er sich wiederholt zur Erholung aufhielt. Gewünscht sind: „Strizel“ und Wein, der Vorrat an anderen Dingen ist hinreichend, Wäsche wird der Botin mitgegeben, die Zeit der Trennung vertreibt Stifter sich durch Äpfel und Zwieback, die von Tag zu Tag stückweise verzehrt werden. In einem kurzen Brief an seine Frau erläutert Stifter die notwendigen bürokratischen Schritte zum Erhalt von Geld über die Verwendung eines Stempelbogens. Erwähnt wird in diesem Schreiben auch Johann B. Metz, der in Kirchschlag eine Villa besaß und für das 1844 errichtete „Stifter-Haus“ als Bauherr und Baumeister verantwortlich zeichnete. Auch dieses eher technische Schreiben beendet Stifter mit der Bekräftigung seiner Liebe.
Ein Beispiel aus den unterschiedlichen Briefschaften, das auch im Jahrbuch des Adalbert-Stifter-Institutes 2019, Bd. 26, vorgestellt wird, gibt einen Eindruck davon, was Handschriften „erzählen“ können: in den 1840er-Jahren war Adalbert Stifter in verschiedenen Haushalten als Lehrer tätig, laut seinem Einnahmenbuch zwischen Dezember 1842 und Juni 1846 in der Familie des Hofarchitekten Heinrich Koch, dessen Sohn Heinrich und TochterJulie er unterrichtete.
Ein mit Siegel versehenes kurzes Schreiben an Julie Koch zeigt eine heitere Seite Stifters, die ihn – wie sein Freund Siegmund von Handel meint – für die pädagogische Arbeit mit Damen besonders geeignet machte. Für die Kinder Koch verfasste Stifter beispielsweise ein Schauspiel „der scheußliche Riese Scharmak oder der Sieg der Amazonen“ wie er seinem Verleger Gustav Heckenast im Dezember 1843 mitteilte. Stifter ersucht die Schülerin formell darum, ihm einen Atlas zu leihen, im Wortsinn „mit Brief und Siegel“.

Liebe Fräulein Julie!
ich bitte Sie recht schön, leihen
Sie mir auf ein par Augenblike
ihren Atlas, ich habe plözlich
etwas aufzusuchen, wozu ich keine
Karte besize.
Mit dem freundlichsten guten
Morgen zeichne ich mich
ihren
aufrichtigen Freund
A – Stifter
Wohlgeboren Fräulein Julie von Koch
hier

3. Briefe an Adalbert Stifter: Briefe an Adalbert Stifter von dem Maler und Freund Johann Fischbach (1797–1871) und der Dichterin Marie von Hrussoczy (1821–1898).

4. Materialien und Dokumente, darunter: Gedruckte Zeugnisse aus der Schulzeit Adalbert Stifters in Kremsmünster, 1821 und 1822 (mit dem jeweils hervorragenden Abschluss Stifters „Praemio donatus est Adalbertus Stifter, Bohem. Oberplanensis“)
Fotografien von Adalbert und Amalia Stifter sowie aus dem Familien und Freundeskreis (Originalabzüge, teils mit Widmungen)
Bild des Stifter-Denkmals in Linz, Atelier Heinrich Angerer Linz, Urfahr, mit einer Widmung 1944
21 Blätter eines Gästebuches „Zum schwarzen Adler“ in Enns mit einer eigenhändigen Eintragung Stifters vom 2. Oktober 1846

5. Das Vereins-Archiv der Stifter-Gesellschaft Wien: Unterlagen zur Vereinsgeschichte sowie zu genealogischen Studien, Böhmerwaldgemeinden betreffend, die Bibliothek des Vereines u. v. a. m.

Mit diesem überaus wertvollen Bestand wird die Sammlung des OÖ. Literaturarchivs zu Adalbert Stifter um ein Beträchtliches ergänzt. Die übernommenen Materialien wurden bereits vor Ort in Wien grob geordnet und aufgenommen und werden für Forschungsarbeiten zur Verfügung stehen.
Die Bestände werden im Rahmen von Fachtagungen vorgestellt bzw. in Ausstellungen präsentiert. Teile davon werden in Zukunft auch in der Dauerausstellung im OÖ. Literaturmuseum in der ehemaligen Wohnung Adalbert Stifters gezeigt.
Zeichnungen, Gemälde und Erinnerungsgegenstände aus dem Vereins-Besitz wurden an das Wien Museum, das die Gemälde Stifters bereits seit Jahrzehnten betreut und ausstellt, übergeben.

Kontakt:
StifterHaus
Adalbert-Stifter-Platz 1, 4020 Linz
Telefon: (+43 732) 77 20-112 95, 112 98
Fax: (+43 732) 77 20-117 80
E-Mail: office@stifter-haus.at

Weitere Informationen: www.adalbertstifter.at




Artikel aus EuroJournal,
Oberösterreich (Heft 4/2019)
www.eurojournal.at
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Stifterhaus Neuzugang
v.l.: Mag. Georg Hofer (OÖ. Literaturarchiv), Direktorin Mag.a Dr.in Petra-Maria Dallinger (StifterHaus), Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer. Foto: Land OÖ/ Maximilian Mayrhofer

Bild des Stifter-Denkmals in Lin
Bild des Stifter-Denkmals in Linz. Foto: StifterHaus

Stifter Gedicht "Rastlose Liebe"Gedicht „Rastlose Liebe”. Foto: StifterHaus

Adalbert Stifter Porträtfoto
Adalbert Stifter. Fotografische Anstalt G. Zimmer, Böhmisch Krumau. Foto: StifterHaus

Stifter Brief an Fräulein Julie
Brief an Fräulein Julie. Foto: StifterHaus

EuroJournal 4/2019
Artikel aus EuroJournal, Oberösterreich (Heft 4/2019) www.eurojournal.at