"... An dem Laufe eines frischen Waldwassers, das so klar wie flüssiges Glas unter naßgrünen Erlengebüschen hervorschießt, führt ein gewundenes Thal entlang, und in dem Thale geht heutzutage ein reinlicher Weg gegen das Holzdorf Hirschbergen, das seine malerischen hölzernen Waldhäuser zu beiden Seiten des Baches auf die Abhänge herumgestreut hat. Diese Abhänge prangen mit Matten der schönsten Bergkräuter, und mit mancher Herde, deren Geläute mit einzelnen Klängen sanft emporschlägt zu der oben harrenden Stille der Wälder ..."

aus A. Stifter "Der Hochwald"

"... Da endlich ich als der Älteste ziemlich heran gewachsen war, starb der Vater, und ich mußte bald darauf in die Abtei in die Studien. Später kam ein Stiefvater und eine neue Regierung in das Haus. Es wurden neue schöne Geräte gemacht, und alle die alten Dinge, die früher da gewesen waren, mußten in die braungebeizte Hinterstube zurück, die gegen den Garten lag und unbewohnt war. Dort blieben sie in Raschheit hingestellt und in Verworrenheit stehen. Auch in mein Haupt waren nach und nach andere Gedanken und andere Bestrebungen gekommen.
Aber einmal in den großen Herbstferien besuchte ich die alten Sachen wieder. Mir kam bei, daß ich sie ordnen könnte. Ich tat es, richtete die braune Stube mit ihnen ein, und stand dabei, wie der sanfte schwermütige Herbstglanz der Sonne so an ihnen hin streichelte und sie beleuchtete ..."

aus A. Stifter "Die Mappe meines Urgroßvaters"

Ansichtskarte v. Oberplan"... Wenn ich in der Ferienzeit meiner Studien oft von meiner Heimat Oberplan im südlichen Böhmen in jene Wälder streifte, stieg ich gerne auf der anderen Seite zu dem alten Rosenberger hinab, und verweilte, nicht selten mit mehreren Genossen, durch eine Zahl von Tagen in seinem Hause, wo gute und sehr billige Bewirtung zu treffen war. So wurde ich mit seinen Kindern befreundet ..."

A. Stifter – "Aus dem bairischen Walde", 1868
Foto: Oberplan auf einer alten Ansichtskarte

"... Als wir aus dem Tore hinaustreten und die Stadt hinter uns ließen, empfing uns der heitere große Grasplatz mit seinen vielen Bäumen, und eine wirklich herrliche Mondnacht stand über dem Raume. Ein ungeheurer Himmel wie aus einem Edelsteine gegossen war über der großen Rundsicht der Vorstädte, nicht ein einziges Wölkchen war an ihm, und von seinem Gipfel schien das Rund des Mondes lichtausgießend nieder ..."

A. Stifter "Bunte Steine" – Turmalin

der Plöckensteiner See"... Da in diesem Becken buchstäblich nie ein Wind weht, so ruht das Wasser unbeweglich, und der Wald und die grauen Felsen, und der Himmel schauen aus seiner Tiefe heraus, wie aus einem ungeheuern Glasspiegel. Über ihm steht ein Fleckchen der tiefen, eintönigen Himmelsbläue. Man kann hier tagelang weilen und sinnen und kein Laut stört die durch das Gemüt sinkenden Gedanken, als etwa der Fall einer Tannenfrucht oder der letzte Schrei eines Geiers.
Oft entstieg mir ein und derselbe Gedanke, wenn ich an diesem Gestade saß: - als sei ein unheimlich Naturauge, das mich hier ansehe - tief schwarz - überragt von der Stirne und Braue der Felsen, gesäumt von der Wimper dunkler Tannen - drinn das Wasser regungslos, wie eine versteinerte Träne ..."

A. Stifter, "Der Plöckensteinersee"
Foto: Der Plöckensteiner See. Reinhold Tauber

"... Dann wende den Blick auch nordwärts; da ruhen die beiten Waldesrücken und steigen lieblich schwarzblau dämmernd ab gegen den silberblick der Moldau; westlich blauet der Forst an Forst in angenehmer Färbung, und manche zarte, schöne, blaue Rauchsäule steigt fern aus ihm zu dem heitern Himmel auf. Es wohnet unsäglich viel Liebes und Wehmütiges in diesem Anblicke ..."

A. Stifter, Der Hochwald  (1842)

Blick in die Alpen von Hellmonsödt"... Und wenn die Berge nicht wären und die Anhöhen, die uns umgeben, so würdest du noch viel mehr Häuser und Ortschaften sehen: die Karlshöfe, Stuben, Schwarzbach, Langenbruck, Melm, Honnetschlag, und auf der entgegengesetzten Seite Pichlern, Pernek, Salnau und mehrere andere. Das wirst du einsehen, daß in diesen Ortschaften viel Leben ist, daß dort viele Menschen Tag und Nacht um ihren Lebensunterhalt sich abmühen und die Freude genießen, die uns hienieden gegeben ist. Ich habe dir darum die Wälder gezeigt und die Ortschaften, weil sich in ihnen die Geschichte zugetragen hat, welche ich dir im Heraufgehen zu erzählen versprochen habe. Aber laß uns weitergehen, daß wir bald unser Ziel erreichen, ich werde dir die Geschichte im Gehen erzählen..."

aus A. Stifter "Bunte Steine" – Granit
Foto: Ausblick in die Alpen von Hellmonsödt aus. Reinhold Tauber

"... Soweit das Auge ging, sah es kein anderes Bild als denselben Schmelz der Forste, über Hügel und Täler gebreitet, hinausgehend bis zur feinsten Linie des Gesichtskreises, der draußen am Himmel lag, glänzend und blauend wie seine Schwester, die Wolke. – Ein Unmaß von Lieblichkeit und Ernst schwebte und webte über den ruhenden dämmerblauen Massen ..."

A. Stifter Der Hochwald


Kurze Passagen aus Stifters Literatur gibt Einblick in die ihm eigenen Art zu Schreiben.

Witiko-Cover
"... Er lenkte sein Pferd auf das Pfadlein jenseits des Bühels abwärts.
Sie kamen wieder in einen Wald, der so schön und dicht war, wie der, durch den sie herauf gekommen waren.
Als eine Stunde vergangen war, und die Dämmerung schon anfing, gelangten sie an das Wasser der Moldau hinab.
»Das ist die Moldau«, sagte Florian.
»Sei mir gegrüßt, du dunkles Wasser, das ich so lange nicht gesehen habe«, sagte Witiko.
Sie überschritten die Moldau auf einer schmalen Brücke, und stießen jenseits auf einen niederen langen Hügel.
'Das ist der Friedberg', sagte Florian, 'und hier werden wir die Nachtruhe halten.'
Sie stiegen den Hügel, welcher Wiesen und kleine Feldei trug, hinan, und trafen oben mehrere Häuser. Sie waren alle von Holz mit breiten Dächern. Eines aber war von Stein, und hatte einen sehr starken runden steinernen Torbogen. Zu diesem Hause leitete Florian den Reiter, der Herr des Hauses kam heraus, und geleitete sie in das Innere.
In dem Hause mit dem runden Steintorbogen hielten Witiko, der Alte und das Pferd die Nachtruhe ..."
aus A. Stifter "Witiko"