Wie tief mag der Abgrund erst noch sein

Fünf Kulturinstitutionen wandern durch Landschaftsbilder

NOCH GAR NICHT NEUGIERIG GEWORDEN, was sich hinter der als Wanderhütte verkleideten Fassade des StifterHauses in Linz verbirgt? Was macht denn Adalbert Stifter am Balkon? Klopft er vielleicht gar einen Bildteppich aus, der verkehrt herunterhängt, sodass alles am Kopf steht? „Seehöhe 255 m" - was soll das?

Die StifterHaus-Mitarbeiter/innen freuen sich über solche Fragen", meint Dr. Evelyne Polt-HeinzI vom Literaturhaus Wien, die das „etwas schräg" angelegte Konzept für die Präsentation „STIFTER HAUS Seehöhe 255 m. Wanderwege durch Adalbert Stifters Bild-Welt" entworfen hat. Die Ausstellung bildet den Auftakt zu einer Ausstellungsreihe zum übergeordneten Thema „Landschaft oder vom Genuss der Weltoberfläche". Insgesamt fünf Kulturinstitutionen der Landeshauptstadt haben sich in dieser beispielhaften Kooperation auf eigene, individuelle Weise kritisch vertiefend mit dem Begriff von Landschaft auseinander gesetzt.

Gemeinsam wandern

Im StifterHaus führen sechs Wanderwege durch eine von Peter Karlhuber improvisierte Galerie, in der Stifters bildkünstlerische und literarische Landschaftsbilder miteinander in Dialog treten. Im Nordico Stadtmuseum Linz werden Landschaften gezeigt, so wie wir sie die letzten 100 Jahre als Ansichtskarten versendet und bekommen haben. Das afo architekturforum oberösterreich stellt (ab 18. Mai) das Beziehungsdreieck Mensch - Landschaft - Auto in den Mittelpunkt Die Künstler/innenvereinigung MAERZ vermittelt (ab 18. Mai) die noch immer wirkenden Postbezüge der Romantik in zeitgenössischen Landschaftsdarstellungen und in der Landesgalerie wird (ab 23. Juni) ein Bogen von der historischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts hin zur Auseinandersetzung mit dem Landschaftsbegriff der Gegenwart gespannt. Zu sehen sind Landschaftsdarstellungen, die Adalbert Stifter noch selbst" für die Sammlung des Landesmuseums angekauft hat (Schiffbruch an der Insel Capraia von Hermann Mevius), bis zur Moderne und Fotografie.

Gegen das Unheil

Noch einmal zurück zu den bis 26. Oktober freigegebenen Wanderwegen, die durch eine improvisierte Galerie im StifterHaus führen. „Wie tief mag der Abgrund erst noch sein, bloß an seinem Rande hat die Wissenschaft ein Kerzlein angezündet, und wir sehen diese zwei isolierten Steinchen glänzen, tiefer ist Finsternis, vielleicht Ewigkeit", zitiert Polt-HeinzI aus Stifters Novelle Brigitta, um auf das „explosive Potential menschlicher Leidenschaften und die zerstörerischen Kräfte entfesselter Naturereignisse in Stifters Werk"

Wanderwege durch Adalbert Stifters Bild- Welt

hinzuweisen. „Seine idyllischen Landschafts-Bilder sind immer auch Abwehrzauber gegen drohendes .Unheil und Gegengewicht zur Profanität seines Alltags", kann man im Katalog zur Ausstellung nachlesen. Eine solide naturwissenschaftliche Ausbildung und die Landschaft seiner Kindheit legen den Grundstein für Stifters Interesse am neuen Natur-Bild seiner Zeit.

Autor: Wolfgang Cervicek


kulturbericht oö 05 2016, CoverArtikel aus dem
kulturbericht oberösterreich Mai 2016
Kulturmagazin des Landes OÖ.

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Entwurf StifterHaus-Fassade mit dem Landschafsbild „Im Gosautal"
So soll's aussehen: der Entwurf von Peter Karlhuber für die Gestaltung der StifterHaus-Fassade mit dem Landschafsbild „Im Gosautal", 1834.

Detail der StifterHaus-Fassade mit dem Landschafsbild „Im Gosautal"
Detail der StifterHaus-Fassade
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